Die Auschwitz-Überlebende Erna de Vries aus Lathen war Gast in der Albert-Trautmann-Schule

Der Wahlpflichtkurs-Geschichte der Klassen 10R beschäftigt sich zurzeit mit dem Thema ‚Juden im Emsland’. Insbesondere werden dabei die Aspekte der Judenverfolgung und die schrecklichen Gräueltaten der Nazis behandelt. Diese Themen sind zwar Gegenstand des Unterrichtes, aber es ist allgemein bekannt, dass sie einen ganz anderen Stellenwert bekommen, wenn von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen berichtet wird. Das hat Frau Erna de Vries aus Lathen für alle Klassen 10 und für die Klasse 9R3 getan. Als Zeitzeugin hat die Auschwitz-Überlebende ihre damaligen Erlebnisse geschildert und damit eine aktuelle Präsenz geschaffen, die eine zeitliche Distanz von ungefähr 70 Jahren aufgehoben hat.

Erna de Vries, geborene Korn, kommt am 21. Oktober 1923 in Kaiserslautern zur Welt. Ihr Vater ist Protestant, ihre Mutter Jüdin. Beide beschließen, ihre Tochter im jüdischen Glauben zu erziehen.
Bis zum Tod ihres Vaters im Jahre 1931 kann Erna Korn eine unbelastete, schöne Kindheit genießen. Die Mutter kann zunächst mit dem anderen Teilhaber zusammen die Speditionsfirma weiterführen, aber mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten beginnen die Repressalien gegen die Juden. Die hat Erna Korn in ihrer Kindheit und Jugendzeit deutlich gespürt. Zum Beispiel kann sie nicht mehr die Schule besuchen, in der sie sich wohl fühlt, sondern kommt in eine jüdische Sonderklasse, in der sie mit 28 jüdischen Schülern aller Altersklassen von einem einzigen jüdischen Lehrer unterrichtet wird.
In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 flüchtet sie aus Angst vor den Nazis mit ihrer Mutter auf den christlichen Friedhof, zum Grab ihres Vaters. Dort fühlen sie sich sicherer. Nach kurzer Zeit kehrt Erna jedoch zum elterlichen Haus zurück und muss erleben, dass alles zerstört ist, das gesamte Inventar. Das Essen klebt an den Wänden.
Am 6. Juli 1943 wird Erna Korn zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Eigentlich soll nur ihre Mutter deportiert werden, aber Erna besteht darauf, ihre Mutter begleiten zu dürfen.
Als Erna Korn aufgrund ihrer schweren Bindegewebsentzündung am Bein nicht mehr arbeitsfähig ist, wird sie bei einer Selektion in den berüchtigten Todesblock 25 verlegt. Erna Korn hat den Tod vor Augen. Ihr letzter Wunsch ist, noch einmal die Sonne zu sehen. Aber es kommt im letzten Moment anders, sie soll als so genannter Mischling ersten Grades in das KZ-Ravensbrück verlegt werden, in dem sie dann bis zum Ende des Krieges bleibt. Somit überlebt sie den Holocaust.

Ausführlich berichtet Erna de Vries von ihren Erlebnissen und Erfahrungen im Konzentrationslager. Sie erzählt den anwesenden Schülerinnen und Schülern, was man mit den Juden gemacht hat. Dabei betont sie immer wieder, dass es nicht ihre eigene, sondern die Geschichte der Juden sei. Erna de Vries erfüllt damit den letzten Auftrag ihrer Mutter. Noch heute hat Frau de Vries die Worte im Ohr, die ihr ihre Mutter auf der Lagerstraße des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau gesagt hat: „Du wirst überleben und erzählen, was man mit uns gemacht hat.“
Sehr interessiert und mit großer Aufmerksamkeit verfolgten die Schülerinnen und Schüler die ‚Geschichte der Erna de Vries’. Man spürte deutlich eine tiefe Betroffenheit und Nachdenklichkeit, auch bei den anschließenden Fragen und Antworten.
In einem abschließenden Unterrichtsgespräch (Tage nach dem Besuch von Erna de Vries) waren für viele Schülerinnen und Schüler u. a. die folgenden Aussagen sehr wichtig:
- Wir fanden es sehr beeindruckend, dass eine Frau, die Auschwitz erlebt und überlebt hat, noch so freundlich gegenüber Menschen sein kann, dass sie auf Menschen zugeht, dass sie keinen Hass verspürt und dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, von den Gräueltaten zu erzählen, damit sie sich nicht wiederholen.
- Im KZ war Frau de Vries eine starke Frau, die es mehr als einmal gewagt hat, gegen Regeln und Vorschriften zu verstoßen. Wenn sie erwischt worden wäre, hätte das den sicheren Tod bedeutet. Aber nach ihrer Meinung musste sie es tun, um überhaupt noch ein Mensch zu bleiben, mit einem eigenen Willen.
- Während der Verfolgungszeit in Kaiserslautern und auch im KZ hat Frau de Vries kleine Zeichen der Menschlichkeit entdeckt. Diese kleinen Gesten waren für sie ein Beweis, dass nicht alle Menschen dem braunen Gedankengut verfallen waren, und sie gaben ihr Mut und Auftrieb zum Leben.

Den Besuch der Auschwitz-Überlebenden Erna de Vries sieht die Schule als wertvollen Beitrag zur Werteerziehung für Toleranz und Demokratie und als wichtigen Beitrag gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.