Zeitzeuge berichtet über Leben in der DDR

Trabbis? Berliner Mauer? Stasi? Nach über 20 Jahren „Deutscher Einheit" sind viele Begriffe aus Zeiten der DDR nur noch aus Fernsehen und Schulbüchern bekannt. Um die Ereignisse der jüngeren Geschichte im Bewusstsein der Schüler lebendig zu halten, spielen noch lebende Zeitzeugen eine immer wichtigere Rolle. So berichtete Herr Gottfried Franz den Schülern der Klasse 10R3 der Albert-Trautmann Schule in Werlte über sein Leben in der DDR.

Geboren im Jahre 1930 wuchs Herr Franz in bürgerlichen Verhältnissen in Dresden auf. Wie viele seiner damaligen Zeitgenossen trat auch er, fasziniert von der Uniform, der Hitlerjugend bei und wurde sogar zum Gruppenleiter befördert. Diese unbeschwerte Jugend endete für Herrn Franz abrupt am 13. Februar 1945, als Dresden von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt wurde. „Dieser Luftangriff kostete vermutlich mehr als 35 000 Menschen das Leben, darunter befand sich auch mein Onkel", schilderte Herr Franz in emotionaler Weise den sichtlich betroffenen Schülern. Dresden, das im Volksmund auch als „Elbflorenz" bekannt war, verwandelte sich über Nacht in eine Trümmerwüste, sogar die weltberühmte Frauenkirche wurde durch den Bombenhagel vollkommen zerstört.

Mit blanken Händen musste der damals 15jährige gelernte Mechaniker mit seinen Kollegen die betriebseigenen Maschinen aus den Trümmern bergen und reparieren, um so die Produktion wieder aufnehmen zu können.

Bezüglich der Frage, wie er das Leben in der 1949 gegründeten DDR empfunden habe, antwortete der 82 jährige Werlter, dass es vor allem an alltäglichen Konsumgütern wie etwa Seife, Kaffee oder frischem Obst gemangelt habe. Im Gegensatz zu Westdeutschland habe sich die DDR in der Nachkriegszeit kaum wirtschaftlich entwickelt, was vor allem an den hohen Reparationen gelegen habe. Die Unzufriedenheit der Arbeiter über das kommunistische Regime habe sich schließlich während des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 entladen. Franz, aktives Mitglied im Rotary-Club, berichtete, dass die SED eine Normerhöhung der Bauarbeiter angeordnet habe, woraufhin es zu spontanen Aktionen gegen das verhasste System gekommen sei. „Vor allem für junge engagierte Menschen bot die DDR keinerlei Perspektive", erklärte der gebürtige Sachse, "daher blieb meiner Frau und mir wie vielen anderen nur noch die Flucht." 1955 verließ Franz mit seiner Ehefrau Gerhild in einer Nacht- und Nebelaktion die DDR. Nicht einmal sein Vater durfte in die Flucht eingeweiht werden, da man befürchtete, dass die STASI davon erfahren könnte. Auf die Frage der Schüler, was denn passiert wäre, falls die Flucht gescheitert wäre, antwortete Franz, dass dies wahrscheinlich „mehrere Jahre Gefängnisstrafe in Bautzen" bedeutet hätte.

Aufgrund verwandtschaftlicher Verbindungen verschlug es den bekennenden Christen schließlich nach Werlte, wo er bis heute mit seiner Ehefrau Gerhild wohnt. 1971 gründete er sein eigenes Unternehmen namens „Werlter Präzisions-Mechanik". Abschließend betonte Franz, der mehrere soziale Projekte weltweit unterstützt, dankbar und froh darüber zu sein, in einem freien, demokratischen und wiedervereinigten Deutschland leben zu können. Dies sollten heutige Schüler zu schätzen wissen.

Henning Müller